Hintergrund
Methoden Test, mit der man seinen Weg zum Start-up findet.
Start-ups sind ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft. Sie schaffen Arbeitsplätze, treiben Innovationen voran und helfen Unternehmen dabei zu wachsen. Laut einigen Studien scheitern jedoch ca. 80-90 % der Start-up Gründer innerhalb der ersten drei Jahre. Die drei häufigsten Gründe des Scheiterns sind laut einer Statistik des Datendienstes CB vor allem die fehlende Nachfrage, Probleme im Team oder zu wenig finanzielle Ressourcen.
Lean Start-up
Erik Ries hat mit seinem Konzept des »Lean Start-ups« eine Methode popularisiert, mithilfe derer die Nachfrage des Marktes besser eingeschätzt und damit der häufigste Grund des Scheiterns minimiert werden kann. In dieser Methode werden die eigenen Geschäftshypothesen in Experimenten mittels Prototypen getestet und kontinuierlich weiterentwickelt – bis ein marktfähiges Produkt entsteht. Durch das Testen kann der Prozess, und das Investieren von wertvollen Ressourcen, auf ein Minimum reduziert werden.
Experiment
Die Lean Start-up Methode ist eine angewandte und sehr praktische Methode, die zum Teil auch einiges mit Design Thinking gemeinsam hat und sich dadurch super damit kombinieren und weiterführen lässt. Im Rahmen meines Masterstudiums in »Intermedialem Design« haben wir die »Lean Start-up Methode« in einer kleinen Gruppe getestet. Das Ziel war herauszufinden, ob Designer mit ihren Fähigkeiten und dieser Methode ein marktfähiges Produkt entwickeln können.
Der Versuch war in einwöchigen »build-measure-learn« Zyklen angelegt, bei denen wir in jedem Zyklus nur einen Parameter ändern und testen sollten. In den gemeinsamen Terminen haben wir dann die Ergebnisse aus den Versuchen besprochen und weitere Fragen zum Testen ableitet. Für die Ausarbeitung und »Testung« unserer Prototypen stand uns die Zeit zwischen den einzelnen Besprechungsterminen zur freien Verfügung.
Prozess
Mehrmaliges anpassen der Hypothese.
Geschäftshypothesen Rodeo – von einer Museums-App zu einem sprachgesteuerten sozialen Netzwerk
Der Kurs begann in der ersten Woche mit einer Einführung in das Konzept, dem aushändigen eines speziellen Canva zur Unterstützung und dem Generieren erster Hypothesen. Mit folgenden vier Business-Hypothesen bin ich gestartet:
- Envelopes against Racism – You can reduce Racism by taking the fear of the unknown
- People are bored of museums and would like to be part of it. Why are we going to museums, when it is all around us?
- People would buy less and be more aware when they would hear sound feedback, which connects them to their emotions.
- People would like to shop for 3D models of clothes online, which are produced on-demand and tailored to their measurements
Wir hatten die Freiheit uns die Hypothese heraus zu suchen, die uns am meisten anspricht, wobei die zweite Hypothese den meisten Zuspruch der Gruppe erhalten hat. Denn durch den formulierten globalen Ansatz versprach sie eine potenziell sehr große Zielgruppe und verschiedene Möglichkeiten der Finanzierung. Aufgrund des Zuspruchs entschied ich mich mit der zweiten Hypothese fortzufahren und das Ziel »To turn the whole world into a museum« zu verfolgen.
Die Welt in ein Museum verwandeln
Nachdem ich die Hypothese gewählt hatte, formulierte ich sie zu »People are bored of Museums – Why do we even have to go to a museum, when we are already living in one?« um. Damit wollte ich erreichen, dass die Idee für andere greifbarer wird. Um meine Geschäftsidee möglichst kostengünstig zu halten und global anbieten zu können, sollte es eine digitale Anwendung in Form einer interaktiven Augmented Reality App werden. Ich stellte mir eine App vor, mit der jeder Nutzer anhand geobasierten Daten irgendwo auf der Welt etwas für seine Mitmenschen hinterlassen kann.
Um den Test möglichst realistisch zu machen, gab ich der Idee den Namen »Timesurfing | Origin - Geobased AR App for Historical Information« und eine funky Gestaltung, die auf sich aufmerksam machen sollte. Mit Social-Media-Posts wollte ich diese Idee dann testen, wofür ich Mockups der App erstellte und diese für Facebook und Instagram aufbereitete. Das Ergebnis nach 24h war jedoch eher ernüchternd. Anstatt Reaktionen zu meiner Idee erhielt ich eher persönliche Kommentare unter meinen Post, in denen sich meine Freunde gefreut haben mal wieder einen Post von mir zu sehen.
Orte für Fremde durch die Augen der Einheimischen erlebbar machen
In der darauf folgenden Woche hatten wir die Ergebnisse ausgewertet und aus Ihnen abgeleitet, dass die Leute sich vielleicht weniger für die eh schon gut vermarkteten Sehenswürdigkeiten interessieren als für die nicht so populären Attraktionen. Deshalb veränderte ich nun der Ansatz weg von den bekannten Inhalten die man in jedem Touristenführer findet und hin zu den Unbekannten, vielleicht verborgenen Geschichten. Damit entwickelte sich die Hypothese zu einer App die einem etwas z. B. zu einem Graffiti oder die Bar um die Ecke erzählen kann. Das Ziel verschob sich damit zu »Let the people see throug the eyes of the natives.« und aus der Hypothese wurde »People want to share and discover the hidden culture of places«. Den Titel der App änderte ich in »Timesurfing - Geobased AR App for the hidden interesting culture« und bereitete das für erneute social media Posts auf. Da wir ja eigentlich nur eine Sache pro Durchgang ändern sollten, änderte ich jedoch nur den Text auf im ersten Slide meines Posts.
Orte für Fremde durch erzählte Geschichten erlebbar machen
Aus den Ergebnissen ließ sich erneut ableiten, dass die Idee vielleicht nicht so gut ankommt wie gedacht. Das war ziemlich frustrierend, weshalb ich den Glauben an diese Idee verlor. Wir analysierten die Parameter und ich beschloss bei der nächsten Änderung mehr auf meine Intuition zu vertrauen und mehrere Parameter für den nächsten Test zu verändern. Zum einen tauschte ich die visuelle Komponente durch Sound aus, da aktuelle Trends zeigten, dass Menschen weniger auf Bildschirme schauen wollen. Die Hypothese änderte sich dadurch in »People want to discover places and their stories through sound.«. Zusätzlich änderte ich auch die Erscheinung und mit einem Video auch das Format der Social Media Posts. Den Namen der App änderte ich in »Timesurfing – Geo & Soundbased App for the hidden interesting culture«. Damit war das neue Ziel »Let the people listen to the stories of the places«.
Als Ergebnis bei diesem Test kam heraus, dass mein Video die Menschen mehr verwirrt hatte, als die Idee zu vermitteln. Einige dachten, dass es sich um eine Dating-App handelte. In anderen Worten, hatte ich mit meinem erstellten Testmaterial das Ziel verfehlt. Die neue Erscheinung kam aber sehr gut an.
Soundbasierte Kommunikation ohne Bildschirm
Durch die vielen Änderungen, die ich zur vorigen Runde machte, fühlte sich der letzte Durchgang wie eine Neuausrichtung meiner Hypothese an. Die Freiheit nach meiner Intuition zu arbeiten, hat mich dazu verleitet, mich nicht mehr komplett an die Methode und die einzelnen Änderungen zu halten. Aufgrund des besseren Ergebnisses entschloss ich mich erneut auf meine Intuition zu verlassen. Diese sagte mir, dass es sich lohnen könnte auch die Hypothese erneut weiterzuentwickeln und die geodatenbasierte Funktion herauszustreichen. Davon überzeugt änderte ich die Hypothese in »People want to communicate screenless via voice notes«. Den Namen änderte ich in »Stime - Sound based social media«. Eine App die das Ziel hat eine natürlichere Form der Kommunikation mittels Technologie zu ermöglichen.
Zum Testen dieser Idee blieb nicht so viel Zeit, weshalb ich mich entschloss nicht die Social Media Variante zu nutzen, sondern einen Test mit zwei Alexas und ein paar Freunden zu machen. Bei diesem Test zeigte sich, dass die Probanden zuerst eine kleine Lernschwelle beim erlernen der Sprachbefehle überwinden mussten, die Idee dann aber als sehr natürlich und praktisch empfanden. Zur Visualisierung erstellte ich neue Mockups der dazugehörigen App. Bei der Endpräsentation kam meine Idee sehr gut an und ich wurde ermutigt diese doch weiter zu verfolgen. Bei der Start-up Safari in Halle stellte ich die Idee dann außerhalb des Wettkampfes vor, bei welcher ich auch weiteren Zuspruch bekam und sich erste Menschen als Testpersonen anboten.
Ergebnis
Ich weiß jetzt wie ich meine Geschäftsideen testen und damit herausfinden kann, ob sich das Weiterverfolgen lohnt.
Fazit
Auf dem Weg zu einem erfolgreichen Start-up müssen einige Herausforderungen gemeistert werden. Als Designer ist es ein Leichtes, Ideen zu generieren – aber meistens landen diese in irgendwelchen Schubladen. Ich scheiterte z. B. bislang an der Frage, ob es eine Idee wert ist sie weiter zu verfolgen. Oder ich meine Zeit lieber in etwas anderes investieren sollte? Mit der Lean Start-up Methode habe ich eine Methode kennengelernt, die es mir ermöglicht diese Frage zu beantworten und das Gründen und entwickeln von Start-ups anschaulich und greifbar macht.
Wie aber bei allen Methoden, vertrete ich die Meinung, dass man diese nicht immer genau Verfolgen muss. Denn auch die Intuition und der gesunde Menschenverstand haben seine Berechtigung. Wie oben in meinem Prozess beschrieben hat es bei mir auch eine komplette Neuausrichtung der Hypothese gebraucht, bis ich zu einer möglicherweise funktionierenden Geschäftsidee fand.
Eine kurze Zeit lang überlegte ich das Konzept weiter zu verfolgen. Jedoch stieß ich bei erneuter Recherche dann auf die App »Clubhouse«, die zu der Zeit das Rennen über persönliche Einladungen machte. Twitter verkündete ein paar Tage später eine ähnliche Funktion einzuführen, weshalb ich die Idee schlussendlich doch aufgab. Denn zu einem erfolgreichen Start-up gehört ja nicht nur die Idee, sondern auch ein geeignetes Netzwerk und andere Ressourcen. Die Entwicklungen bestätigten den Trend zu audiobasierten Plattformen, was ich als Erfolg für die Methode verbuche und auch für das Konzept von »Stime«. Denn mit der Methode bin ich immerhin beim damaligen Status quo raus gekommen.
Ich bin mir sicher, dass ich die Methode noch mal gebrauchen kann. Auch kann ich bestätigen, dass Designer die besten Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Methode haben und eine gelungene Ästhetik eine wichtige Rolle spielt, wenn es dann an das Überzeugen von Investoren geht.